Seit über drei Jahrzehnten arbeitet der Klangkünstler Michael Ammann in der Fürther Kofferfabrik – einem Ort, der längst zum kreativen Biotop für subkulturelle und experimentelle Kunstformen geworden ist. In seinem Studio «Toen» betreibt er elektroakustische Forschung, veranstaltet Festivals, vernetzt Künstler aus ganz Europa und hat Fürth damit einen seltenen Platz auf der Landkarte der internationalen Klangkunstszene gesichert. Doch jetzt droht das Aus: Ammann erhielt die Kündigung – der Auszug ist bis spätestens Ende Juni 2025 fällig. Im Interview mit Fürth Aktuell spricht Ammann über seine Arbeit, den Konflikt mit den Vermietern und seinen Wunsch nach einem klaren Bekenntnis zur Kultur in der Stadt.
Herr Ammann, Sie arbeiten seit über 30 Jahren in der Kofferfabrik. Wie kam es dazu?
Anfangs hatte ich nur einen Proberaum hier, dann wurde mir ein Raum als Wohnatelier vermietet. Im Lauf der Jahre kamen weitere Räume hinzu. Die damaligen Betreiber waren sehr aufgeschlossen gegenüber bildender Kunst und dem Experimentellen – das war ein inspirierendes Umfeld. Davor hatte ich verschiedene regional erfolgreiche Bands geleitet, doch irgendwann langweilte mich das Reproduzieren eigener Kompositionen. Ich wandte mich der Improvisation zu – zuerst im Jazz, später wurde mir aber auch das klanglich zu eng. So verlagerte ich meinen Fokus auf die elektroakustische Improvisation.
Was genau macht das Studio «Toen» heute aus?
Wir arbeiten hier mit modernsten technologischen Mitteln an klanglicher Improvisation, im Kontext Mensch-Maschine, in Echtzeit. Das umfasst Instant Akusmatik, interdisziplinäre Kooperationen mit Tanz, Theater, Film und bildender Kunst. Es ist eine Art Echtzeit-Klangmalerei im Raum – vergleichbar mit abstraktem Expressionismus, aber akustisch. Die quadrophonische Arbeit ermöglicht ein klangliches Zeichnen und Malen im Raumfeld.
Sie haben kürzlich die Kündigung erhalten. Was wurde Ihnen als Grund genannt?
Ich hatte ursprünglich ein Gespräch zur Heizsituation angefragt, da die Raumtemperatur nur bei maximal 17 Grad lag. Stattdessen wurde mir eine vorbereitete Kündigung übergeben. Die Begründung: Die Räume seien in ihrem Zustand nicht mehr vermietbar und würden nach meinem Auszug leer stehen. Gleichzeitig hieß es, man könne die Räume gut gebrauchen – also Eigenbedarf. Das ist widersprüchlich. Mein Studio ist für Kofferfabrikverhältnisse völlig in Ordnung, was mir viele Besucher auch bestätigen. Nach 30 Jahren hier ist das schwer nachvollziehbar.
Die Kofferfabrik wurde politisch verteidigt, als das gesamte Gelände gefährdet war. Warum gibt es für Ihr Atelier keine vergleichbare Unterstützung?
Das frage ich mich auch. Ich hätte mir zumindest für die kommenden Jahre eine gewisse Bestandssicherung gewünscht. Aber mein Vermieter ist nicht wie bei vielen anderen die Lauer Immobilien, sondern die Gastro Kultur GmbH. Deshalb greift der damalige Schutz für mich nicht.
Sie haben sich an Politik und Verwaltung gewandt. Gab es Reaktionen?
Ich habe mich mehrfach an die Stadt, das Kulturamt, die Grünen, den Kulturbeirat und auch an den Oberbürgermeister gewandt. Leider bislang mit sehr geringem Erfolg. Es hat sich niemand aktiv bei mir gemeldet. Das wirkte alles eher pro forma.
Zwei zentrale Akteure der Kofferfabrik – Felix Geismann und Florian Lippmann – haben auch politische Mandate. Verwundert Sie deren Verhalten?
Ja, sehr. Beide haben kulturelles und politisches Gewicht und leisten zweifellos viel für die Stadt. Umso unverständlicher ist es für mich, dass gerade von dieser Seite eine Kündigung kommt. Das Studio hat künstlerisch-strukturell eine hohe Bedeutung, auch über Fürth hinaus.
Wie haben Sie von der Petition «Toen muss bleiben» erfahren?
Sie wurde von Freunden und Künstlerkollegen gestartet, die das Studio regelmäßig nutzen. Ich wurde kurz vor Veröffentlichung informiert. Die Unterstützung bedeutet mir viel – die Empörung über die Situation ist groß. Das alles geht mir sehr nahe, auch weil der Konflikt schon seit Monaten andauert.
Was erwarten Sie konkret von Stadt, Kulturbeirat und Zivilgesellschaft?
Mein Wunsch war es, über die offiziellen Stellen ein moderiertes Gespräch mit den Betreibern zu ermöglichen. Leider kam es dazu bislang nicht. Ich hätte mir ein klares Signal, ein «No-Go» gegenüber der Kündigung vom Kulturbeirat oder dem Amt gewünscht. Immerhin hat der Oberbürgermeister angemerkt, ein einigendes Gespräch sei besser als eine gerichtliche Auseinandersetzung – das fand ich sehr richtig.
Haben Sie eine Alternative für Ihr Studio, falls Sie wirklich ausziehen müssen?
Nein. Ich habe mich damit auch nur sehr zurückhaltend beschäftigt, denn ich will nicht raus. Ich bin mit dem Ort verwachsen. Ich arbeite hier seit 30 Jahren, kenne jeden Winkel, bin mit den Menschen vor Ort verbunden. Der Gedanke an einen Auszug hat mich viel Kraft gekostet. Falls jemand eine Idee oder einen Raum kennt – ich wäre dankbar für Hinweise.
Was würde der Verlust von «Toen» für Fürth bedeuten?
Die Stadt verliert einen einzigartigen Ort für experimentelle Klangkunst – einen Ort des Austauschs, der Forschung, der künstlerischen Innovation. Für eine Stadt, die sich selbst als Künstlerstadt begreift, wäre das ein schmerzlicher Verlust.