Auf einem Türschild steht „Raum der guten Lösungen“. Einmal pro Woche wird ein Klassenzimmer an der Pestalozzi-Schule in Fürth zu diesem besonderen Ort. Hier lernen Schüler, Streitigkeiten im Idealfall selbst in den Griff zu bekommen. Mechthild Müller und Ludwig Schmitt arbeiten an der Schule ehrenamtlich als Schulmediatoren – einem Projekt von Seniorpartner in School (SiS).
Das Prinzip ist einfach, aber wirkungsvoll: Seniorinnen und Senioren, die eine qualitativ hochwertige Mediationsausbildung durchlaufen haben, unterstützen Kinder dabei, Konflikte respektvoll und eigenständig zu lösen. Dabei stehen nicht Strafen oder Sanktionen im Vordergrund, sondern die Entwicklung von Empathie, Selbstwirksamkeit und Verantwortungsbewusstsein.
Gegründet wurde SiS im Jahr 2001 in Berlin von der Sozialpädagogin Christiane Richter. Heute gibt es bundesweit mehrere hundert Schulen, die mit dem Konzept arbeiten – darunter auch die Fürther Schule. In Bayern ist das Netzwerk stetig gewachsen – allein in der Metropolregion Nürnberg betreut SiS inzwischen 18 Schulen, weitere stehen auf der Warteliste.
Die Mediatoren sind immer im Tandem tätig. An der Pestalozzi-Schule bieten die Mediatoren Müller und Schmitt einen Tag pro Woche vertrauensvolle Gespräche an. Der Bedarf ist groß, wie beide im Gespräch mit „Fürth Aktuell“ berichten. Fast immer seien alle Termine ausgebucht.
„Wir sprechen mit den Kindern über ihre Gefühle, die zum Streit geführt haben, und schauen, welches Bedürfnis in der Situation nicht erfüllt wurde“, erklärt Mechthild Müller. Ludwig Schmitt ergänzt: „Meistens geht es ja beim Streit um Beziehungen zwischen den Kindern. Mediation ist ein wunderbares Verfahren, diese Beziehungen offenzulegen.“
Schulleiterin Stefanie Pistor zeigt sich überzeugt von der Arbeit: „Die Kinder gehen freiwillig zu den Seniorpartnern. Das Angebot ist neutral und unterscheidet sich dadurch von Gesprächen mit Lehrkräften oder Schulsozialarbeitern.“ Für die Schule sei es eine wertvolle Bereicherung, weil Konflikte eigenständig und ohne formale Sanktionen beigelegt werden können.
Die Themen reichen von vermeintlich kleinen Auseinandersetzungen – etwa, wer auf die begehrte Schaukel darf, bis hin zu schwierigen Fragen rund um Ausgrenzung, Beleidigungen oder pubertätsbedingte Konflikte. Die Mediatoren bieten auch Einzelgespräche an, in denen Kinder über Persönliches oder Mobbing-Erfahrungen sprechen können. „Wenn die Kinder selbst eine Lösung finden, gehen sie am nächsten Tag wieder gerne in die Schule“, betont die Schulleiterin.
Die Mediatoren freuen sich über die Erfolge, wenn sich am Ende die Kinder in die Augen schauen und sagen: „Ah, jetzt verstehe ich, um was es dir geht, und was du brauchst.“ Das sein ein Gänsehautmoment, sagen Müller und Schmitt.
Bevor die Seniorpartner an die Schulen gehen, absolvieren sie eine intensive Ausbildung mit 80 Stunden in vier Modulen sowie eine anschließende Praxisphase von mindestens 18 Monaten. Rollenspiele, Supervision und regelmäßige Fortbildungen gehören ebenso dazu wie der Austausch untereinander.
Alle Mediatoren arbeiten ehrenamtlich. Umso wichtiger ist die Nachwuchsgewinnung: „Wir brauchen dringend mehr Freiwillige, vor allem auch Männer, die als Rollenbilder wirken können“, betont von Sis-Standortleiterin Elfriede von Lüdinghausen.
Denn das Konzept zeigt auch in Fürth Wirkung: Kinder übernehmen Verantwortung für ihr eigenes Handeln, entwickeln Empathie und stärken ihr Selbstvertrauen. Gleichzeitig profitieren die Seniorpartner selbst – durch neue soziale Kontakte, sinnstiftende Aufgaben und persönliche Weiterentwicklung.
In Fürth sind neben der Pestalozzi-Schule auch die Grundschulen Frauenstraße, Rosenstraße und Maistraße beteiligt. Insgesamt engagieren sich derzeit acht Mediatoren im Stadtgebiet.
Das Projekt wird bundesweit von einem gemeinnützigen Verein getragen und finanziert sich über Spenden, Fördermittel und ehrenamtliche Arbeit. Dass SiS nicht nur Konflikte löst, sondern auch ein Stück gelebte Demokratie vermittelt, macht es zu einem bemerkenswerten Baustein für die Schulkultur in der Region.
Wer sich für das Projekt interessiert und mitarbeiten möchte, kann sich direkt an Elfriede von Lüdinghausen wenden: +49 (0)160 7864405 oder e.von-luedinghausen@sis-bayern.de
9.3°C | Bedeckt 
