In einem unscheinbaren Hinterhof der Fürther Kofferfabrik pulsiert seit über drei Jahrzehnten ein Herzstück der deutschen Klangkunstszene: das Studio „Toen“ von Michael Ammann. Ein Ort, an dem Töne nicht nur gehört, sondern erlebt werden – in Echtzeit, im Raum, im Dialog mit der Stille. Doch nun droht diesem einzigartigen Klanglabor das Aus. Eine Kündigung zwingt den Künstler zum Auszug bis Ende Juni 2025. Eine Petition auf openPetition.de fordert den Erhalt des Studios.
Die Kofferfabrik in Fürth gilt seit Jahrzehnten als ein Freiraum für kulturelle Vielfalt, künstlerische Experimente und kreative Prozesse. Einer der prägendsten Akteure dieser Szene ist der Klangkünstler Michael Ammann, der seit über 30 Jahren im Atelier der Kofferfabrik arbeitet. In seinem Studio „Toen“ hat er einen bundesweit einzigartigen Ort geschaffen – für elektroakustische Kunst, Improvisation und interdisziplinäre Experimente.
Die Kündigung traf Ammann nach eigener Aussage unvorbereitet. Eigentlich wollte er mit der Gastro Kultur GmbH über die unzureichende Heizsituation sprechen – stattdessen wurde ihm eine bereits vorbereitete Kündigung überreicht. Als Begründung wurde zum einen angeführt, die Räume seien in ihrem Zustand nicht mehr vermietbar und würden künftig leer stehen. Zugleich sprach man jedoch von Eigenbedarf – ein Widerspruch, der bei Ammann und vielen Unterstützern auf Unverständnis stößt. „Mein Studio ist für Kofferfabrikverhältnisse völlig in Ordnung“, betont der Künstler.
Der Fall hat Brisanz, denn Michael Ammann ist nicht nur Klangforscher, sondern auch Impulsgeber für eine Szene, die jenseits von Kommerz und Mainstream experimentelle Kunstformen weiterentwickelt. Sein Studio ist nicht nur Heimat des internationalen Festivals QUADROPHONIA, sondern auch Begegnungsstätte für Künstler aus ganz Europa. Auch Formate wie das Fürther GASTSPIEL wurden regelmäßig aus dem Studio heraus mitgestaltet.
Ammanns künstlerischer Ansatz basiert auf improvisierter Klangkunst im Mensch-Maschine-Kontext – ein Feld, das in Deutschland nur wenige vergleichbare Orte kennt. In seinem Interview mit Fürth Aktuell spricht er von einer „klanglichen Echtzeit-Malerei“: ähnlich dem „Action Painting“, jedoch mit Tönen statt Farbe. Arbeiten im quadrophonischen Raum, akustischer Expressionismus, spontane Komposition – das alles ist Teil dessen, was in der Kofferfabrik gewachsen ist.
Doch trotz dieser Bedeutung scheint die Unterstützung vonseiten der Stadt gering. Zwar wurde die Kofferfabrik als Gesamtkomplex politisch verteidigt, etwa gegen Pläne zur Umnutzung – doch für Ammann und sein Atelier gebe es keinen Bestandsschutz. „Ich habe mich mehrfach an Stadt, Kulturamt, Kulturbeirat und die Grünen gewendet – aber bislang ohne Erfolg“, so der Künstler. Besonders schmerzhaft: Zwei der Betreiber – Felix Geismann und Florian Lippmann – haben selbst ein politisches und kulturelles Mandat in der Stadt.
Die aktuelle Petition mit dem Titel „Toen muss bleiben“ wurde von Unterstützern aus dem künstlerischen Umfeld Ammanns ins Leben gerufen. Der Klangkünstler selbst zeigt sich gerührt: „Die Empörung über den Umgang mit dem Studio ist groß. Ich bin dankbar für diese Solidarität.“
Dass Ammann sich trotz angedrohter Räumungsklage und zunehmendem Druck weiterhin dem künstlerischen Schaffen widmet, ist Ausdruck seiner Haltung. Doch Alternativen gibt es bislang keine. „Ich will hier nicht raus. Ich bin mit dem Ort verwachsen“, sagt er. Vorschläge für neue Räume seien willkommen – denn sollte das Studio „Toen“ verschwinden, verliert die Metropolregion Nürnberg einen Ort, der weit über Fürth hinausstrahlt.
Die Petition kann online unter openpetition.de unterstützt werden. Der Aufruf richtet sich an die Stadt Fürth, den Kulturbeirat und die Zivilgesellschaft – mit der Forderung nach klarer Positionierung und einem Dialog mit den Betreibern. Denn, so heißt es in der Petition: „Lieblingsorte schaffen und erhalten – weil wir hier leben.“