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Wohnen, Strom, Bürgergeld: Fürth veröffentlicht umfangreiche Sozialstatistik

21. März 2025
Soziale Lage in Fürth: Zwangsräumungen, Energiesperren, Sozialwohnungen – die Bilanz eines JahrzehntsSoziale Lage in Fürth: Zwangsräumungen, Energiesperren, Sozialwohnungen – die Bilanz eines Jahrzehnts

Wenn im reichen Bayern Strom und Gas abgedreht werden oder Mieter ihre Wohnung verlassen müssen, wirft das Fragen auf. Ein genauer Blick auf die Zahlen der Stadt Fürth offenbart Entwicklungen, die gesellschaftliche Herausforderungen sichtbar machen – schwarz auf weiß, Jahr für Jahr dokumentiert. Grundlage dafür ist eine Anfrage der Stadtratsgruppe DIE LINKE. Die Stadtverwaltung veröffentlichte dazu eine umfassende Datenanalyse mit Stand vom 31.12.2024.

Zwangsräumungen rückläufig – doch kein Grund zur Entwarnung

Im Jahr 2014 verzeichnete die Stadt Fürth noch 100 Zwangsräumungen, 2015 stieg die Zahl auf 121. Danach ging sie zwar insgesamt zurück, erreichte mit nur 47 Fällen im Corona-Jahr 2020 ein Tief, bevor sie 2023 erneut auf 92 stieg. Für das Jahr 2024 wurden bislang 60 Zwangsräumungen gemeldet. Die Daten stammen direkt vom Amtsgericht Fürth.

Energieabschaltungen: Deutlicher Rückgang, aber weiter auf hohem Niveau

Auch bei Strom- und Gassperren ist ein Rückgang festzustellen: Wurden 2014 noch 843 Energiesperren gemeldet, sank die Zahl bis 2021 kontinuierlich auf 366. In den letzten drei Jahren stieg sie jedoch wieder an und lag 2024 bei 655 – davon 641 Strom- und 14 Gassperrungen laut infra fürth gmbh.

Jobcenter-Sanktionen: Radikaler Einbruch ab 2020

Die Anzahl der durch das Jobcenter verhängten Sanktionen zeigt einen drastischen Rückgang: Von rund 1.800 Fällen jährlich zwischen 2014 und 2018 fiel die Zahl 2020 auf 161. Dieser Rückgang erklärt sich unter anderem durch das sogenannte Sanktionsmoratorium und die Umstellung auf das Bürgergeld ab 2023, wodurch neue Regeln zur Leistungsminderung greifen. Im Jahr 2024 wurden dennoch wieder 464 Leistungsminderungen festgestellt.

Sozialhilfe: Immer mehr Menschen auf Grundsicherung angewiesen

Die durchschnittlichen Fallzahlen der Grundsicherung im Alter (SGB XII) stiegen seit 2019 von 1.105 auf 1.574 Fälle im Jahr 2024. Besonders auffällig ist der Anstieg ab 2022, der laut Stadt Fürth vor allem auf die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine zurückzuführen ist. Ein Drittel der neuen Fälle kommt dabei laut interner Erfassung aus dem Bereich des Bürgergeldes (SGB II).

Wohngeld: Mehr Anträge, lange Wartezeiten

Die Einführung des „Wohngeld Plus“ 2023 sorgte für einen sprunghaften Anstieg der Anträge: 2021 lag die Zahl noch bei 1.651, 2023 waren es bereits 2.840, 2024 sogar 2.572 – obwohl die Zahlen aufgrund längerer Bewilligungszeiträume verzerrt sein könnten. Die Bearbeitungszeit für neue Anträge liegt derzeit laut Stadt Fürth bei über einem Jahr.

Sozialwohnungen: Zahl der geförderten Wohnungen rückläufig

Die Bilanz bei Sozialwohnungen fällt ernüchternd aus. Während 2015 noch 2.237 Wohnungen mit Preisbindung in Fürth existierten, sind es 2024 nur noch 1.780. Gleichzeitig wurden zwischen 2014 und 2024 lediglich 384 neue Sozialwohnungen fertiggestellt. Zwar sind bis 2025 weitere 98 geplant, doch laufen bis 2030 zahlreiche Preisbindungen aus – allein 134 im Jahr 2026.

Wohnberechtigungsscheine: Mehr Anspruchsberechtigte, zu wenig Wohnraum

Die Zahl der ausgestellten Wohnberechtigungsscheine – eine Voraussetzung für den Bezug von Sozialwohnungen – stieg von 940 im Jahr 2014 auf 1.046 im Jahr 2024. Der Mangel an verfügbarem Wohnraum bleibt damit ein zentrales Problem in Fürth.

Einbürgerungen nehmen deutlich zu

Positiv entwickelt hat sich die Zahl der Einbürgerungsanträge: 2024 wurden mit 1.254 mehr als doppelt so viele Anträge gestellt wie im Vorjahr. Die Zahl der tatsächlichen Einbürgerungen stieg im gleichen Zeitraum von 407 auf 761.

Fazit: Fürth steht vor sozialen Herausforderungen

Die Daten zeigen deutlich: Trotz mancher positiver Entwicklungen wie dem Rückgang von Zwangsräumungen oder einer höheren Zahl an Einbürgerungen bleiben zentrale soziale Probleme bestehen. Die Wohnraumsituation, die Bearbeitungszeit beim Wohngeld und der steigende Bedarf an Grundsicherung im Alter werfen große Fragen an die kommunale Sozialpolitik auf.